Mehr als Stiefmütterchen pflanzen
Ein politisches Leitbild wünschten sich die Diskussionsteilnehmer
beim Bremer Forum für Wohn- und Lebensqualität. Und fassten "eine neue
Bescheidenheit" ins Auge
Bremen taz "Der Titel klingt ratloser als es ist",
sagte Moderatorin Elke Heyduck aufmunternd zu Beginn. "Bremen ist am Ende, wir
brauchen eine Wende - Veränderung beginnt mit Widerstand", unter diesem Titel
hatte am Mittwochabend das Bremer Forum für Wohn- und Lebensqualität zur
Diskussion eingeladen. Gekommen waren rund 40 Leute, zumeist die üblichen
Verdächtigen: Mitglieder von Bürgerinitiativen, zum allergrößten Teil jenseits
der 50 und vielfach miteinander bekannt.
Wer erwartet hatte, nach zwei Stunden Diskussion mit einem schlüssigen
Konzept für die Bremische Wende nach Hause zu gehen, ging vermutlich
unbefriedigt nach Hause. Wer sich dagegen ein Stimmungsbarometer der altlinken
oder zumindest bürgerbewegten Szene versprach, fand, was er suchte. Die sechs
Gäste standen für verschiedene Formen von Bürgerengagement und -widerstand - nur
die Journalistin Silke Hellwig wurde vom Publikum unkritischer
Hofberichterstattung in ihrer Zeit beim "Weser Kurier" geziehen. Während man
ihren Einwand gegen bestimmte Formen von Bürgerinitiativen, die mehr dem
St.Florians-Prinzip folgten - "sobald der eigene Vorgarten bedroht ist" - noch
durchaus diskussionswürdig fand, stieß ihre Vision gelungenen Bürgerengagements
auf wenig Gegenliebe. Dort, wo dem Land das Geld fehle "Stiefmütterchen im
Dreieck pflanzen", das wollte sich niemand auf die Fahnen schreiben.
Auf mehr Sympathie stieß Anne Knauf, Leiterin der Kindertagesstätte
Andernacher Straße, die schilderte, wie trotz großen Elternengagements der
Wiederaufbau der abgebrannten Kita zu scheitern droht. Auch der
Betriebsratsvorsitzende der Klinik Ost, Lothar Schröder, fand Beifall für den
Kampf gegen die Privatisierung des Krankenhauses, ebenso wie Gaby-Grete
Kellerhoff von der Arbeitslosenberatungsstelle der evangelischen Kirche, die
ebenfalls zu den Einspar-Kandidaten der Bremischen Politik gehört.
Was die interessante Frage nach tatsächlichen Einsparungsmöglichkeiten nach
sich zog. Weniger Wirtschaftsförderung, so waren sich die Teilnehmer einig. "Wir
brauchen eine neue Kultur der Bescheidenheit" forderte in diesem Sinne die
Galeristin Katrin Rabus und erinnerte an den vergeblichen Kampf gegen den Umbau
der Stadthalle. Die Politik müsse endlich ein Leitbild entwerfen, zu dem die
Bürger Stellung beziehen könnte, so Rabus und fand damit allgemeinen Beifall.
Doch wie dieser, nicht vollständig neuen, Forderung Nachdruck verliehen
werden könnte, wusste niemand recht zu sagen. Der Staatsrechtler und
langjähriger Fraktionsgeschäftsführer der CDU, Erich Röper (der den Sprecher der
Bürgerinitiative gegen die Stadtautobahn vertrat) machte sich dafür stark, mit
der Aufgabe der Bremischen Selbstständigkeit zu drohen: "Mit einem Hannoveraner
Innenministerium hörte die Kungelei auf" - konnte damit aber nicht überzeugen.
Aufmunternd dagegen die Schlussworte der Praktiker: Gaby-Grete Kellerhoff
betonte die Wirksamkeit auch kleiner Initiativen und Lothar Schröder erinnerte
an eine alte Wahrheit: "Jammern nützt nichts". grä
taz Bremen Nr. 7758 vom 2.9.2005, Seite 21, 108 Zeilen
(TAZ-Bericht), grä
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